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Interview

Marlies von Siebenthal, Fachfrau für Blasen- und Intimbeschwerden.

Blasenentzündung auf den Grund gehen

Jede zweite Frau leidet einmal im Leben an einer Blasenentzündung. Viele von Ihnen aber auch immer wieder. Dies ist für die Betroffenen sehr belastend. Marlies von Siebenthal, leitende Fachfrau für Blasen- und Intimbeschwerden am Blasen- und Beckenbodenzentrum der Frauenklinik Frauenfeld, gibt Antworten auf die brennendsten Fragen.

Meine Gesundheit: Wie äussert sich eine Blasenentzündung und wann spricht man von einer immer wiederkehrenden sog. rezidivierenden Blasenentzündung?

M. von Siebenthal: Plötzlich auftretender, häufiger Harndrang, Schmerzen in der Blase oder diffuse Schmerzen im Unterbauch, Brennen beim Wasserlassen, aber auch trüber, übel riechender, teils blutiger Urin sind typische Anzeichen für eine Blasenentzündung. Treten Blasenentzündungen zwei Mal pro Halbjahr oder drei Mal pro Jahr auf, spricht man von rezidivierenden Blasenentzündungen. Treten zusätzlich hohes Fieber, Schmerzen in der Nierengegend und allgemeines Unwohlsein auf, ist an eine aufsteigende Entzündung in die oberen Harnwege (Nieren-Beckenentzündung) zu denken. Immer häufiger beobachten wir bei jüngeren Frauen chronische Harnröhrenentzündungen. Symptome sind Schmerzen in der Harnröhre beim Wasserlassen, Schmerzen beim Intimverkehr. Die Patientin hat das Gefühl, dass sie ständig ihre Harnröhre spürt, dies kann stechend oder auch brennend sein. 

Viele Frauen leiden an immer wiederkehrenden Entzündungen. Was bedeutet das für die Frau?

Immer wiederkehrende Blasenentzündungen können zu einer massiven psychischen Belastung führen. Schon fast allein der Gedanke an kalte Füsse oder das Sitzen auf einem kalten Stein führen zur nächsten Blasenentzündung, und auch der Schwimmbadbesuch wird vermieden. Ebenso leidet das Intimleben unter dieser Belastung. Blasenentzündungen nach dem Intimverkehr machen die Lust zum Frust oder führen dazu, dass kein Intimverkehr mehr stattfindet. Der Partner leidet mit.

Was führt zu diesen häufigen Rezidiven?

Es gibt verschiedene Ursachen. Oft erleichtert eine dünne, trockene und bisweilen sogar rissige Schleimhaut (z.B. durch Hormonmangel in der Menopause oder gewisse hormonelle Verhütungsmethoden) das Eindringen der Bakterien. Frauen in der Menopause leiden zehn Mal häufiger an Blasenentzündungen. Auch eine übertriebene oder ungeeignete Intimhygiene bringt die Schleimhaut aus dem Gleichgewicht. Ein schlecht funktionierendes Immunsystem im Intimbereich kann diese Effekte noch verstärken. Viele Frauen trinken zu wenig. Dadurch wird die Blase nicht richtig durchgespült. Auch eine unvollständige Blasenentleerung, Urin- und Stuhlinkontinenz oder gewisse Stoffwechselerkrankungen (z.B. Diabetes) können das Auftreten von Blasenentzündungen begünstigen oder verursachen.

Was gibt es für Behandlungsmöglichkeiten bei einer akuten oder chronischen Blasenentzündung?

Bei immer wiederkehrenden Blasenentzündungen muss abgeklärt werden, worin die Ursache liegt. Erhöhte Restharnmengen, eine bösartige Erkrankung, ein Blasen-/Nierensteinleiden etc. müssen ausgeschlossen bzw. spezifisch behandelt werden. Zusätzlich sollten auch Abstriche aus der Harnröhre entnommen werden, um eine Besiedelung mit Bakterien auszuschliessen, die zu chronischen Harnröhrenreizungen und Blasenwandentzündungen führen können.

Generell gilt bei einer akuten Blasenentzündung die Devise: Viel trinken. Zwei bis drei Liter trinken, respektive eine Urinmenge über 24 Stunden von zwei bis drei Liter ist Pflicht (Ausnahmen z.B. für Herzpatienten sind mit dem behandelnden Arzt zu besprechen). In den ersten zwei bis drei Tagen kann eine leichte Blasenentzündung auch selber behandelt werden. Harntreibende, antibakterielle und entzündungshemmende Tees, pflanzliche Dragées oder Tropfen mit Goldrute, Birke, Bärentraube, Brennnessel etc., aber auch Preiselbeersaft oder D-Mannose  lassen die Entzündung in vielen Fällen abklingen. Sorgen Sie für genügend Ruhe und legen Sie eine Wärmflasche auf. Das entspannt die Muskulatur und lindert Schmerzen. Tritt nach zwei bis drei Tagen keine Besserung ein oder kommen Fieber, Nierenschmerzen oder Blut im Urin dazu, muss ein Arzt aufgesucht und eine Antibiotika-Therapie eingeleitet werden. Das Antibiotikum sollte mit einer Resistenzprobe auf seine Wirksamkeit getestet werden, denn leider gibt es auch im Blasenbereich immer mehr antibiotikaresistente Bakterien. Dies, weil zu häufig und zu früh zu einem Antibiotikum gegriffen oder dieses falsch angewendet wurde. Auch eine Antibiotikatherapie kann mit den oben genannten Massnahmen unterstützend begleitet werden. Schwangere Frauen, Patientinnen mit reduziertem Allgemeinzustand, Männer und Kinder müssen immer mit Antibiotika behandelt werden.

Welche sind die besten vorbeugenden Massnahmen gegen immer wiederkehrende Blasenentzündungen?

Vorbeugen ist besser als heilen! Viel trinken! Das spült die Blase durch, und eventuell aufgestiegene Bakterien werden rasch wieder ausgeschwemmt. Preiselbeermuttersaft oder auch D-Mannose binden vor allem die E.coli-Darmbakterien an sich (Verursacher für ca. 70 Prozent der Harnwegsinfekte). Dadurch können  diese nicht mehr an der Blasenschleimhaut anhaften und werden bei guter Trinkmenge ausgeschieden. Bei häufigen Blasenentzündungen empfehle ich drei Mal täglich 1 EL Preiselbeermuttersaft verdünnt mit ein bis zwei dl Wasser, oder drei Mal täglich D-Mannose. Als Prävention, nach einer längeren beschwerdefreien Zeit, empfehle ich ein Mal täglich Preiselbeermuttersaft oder D-Mannose.

Bakterien, Pilze, selten auch Viren sind häufig auf der Vaginalhaut und in der Vaginalflora vorhanden. Bei normaler Scheidenflora und intakter Immunabwehr wird der Körper mit diesen Erregern fertig. Eine sorgfältige und schonende Intimpflege mit pH-neutralen, rückfettenden Medizinalseifen ist wichtig und unterstützt die gesunde Funktion der Schleimhaut. Aber weniger ist auch hier mehr! Ein Mal täglich waschen reicht. So werden die natürlichen Schutzmechanismen nicht zerstört. Die Vaginalhaut sollte nach dem Waschen mit einer fett-, bei Hormonmangel evtl. auch hormonhaltigen Creme gepflegt werden, denn eine dünne, trockene Vaginalhaut neigt vermehrt zu Rissen und Hautverletzungen. Es kommt zu brennenden, juckenden Intimbeschwerden – und diese fördern wiederum die Blasenentzündungen. Zusätzlich unterstützen milchsäurehaltige Vaginalgels oder Tabletten die Schutzmechanismen der Schleimhaut und beeinflussen die Scheidenflora positiv. Aber auch die Darmflora ist wichtig. Ein gesunder Darm weist auf einen gesunden Körper hin. Probiotische Produkte bauen die Darmflora auf und stärken dadurch das Immunsystem. Diese vorbeugenden Massnahmen verhindern die Erreger nicht, aber sie stärken den Wirt!

Interview: Lukas Maron, Bild: ZVG

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