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Zecken - Gefährlich und faszinierend

Sind Zecken wirklich so gefährlich, wie man immer hört? Oder wird da ganz bewusst Hysterie geschürt? Wir fragen einen, der es wissen muss: Dr. Norbert Satz, den Zeckenspezialisten.

Die Tage werden wieder länger, die Temperaturen klettern in die Höhe. Ab also in die freie Natur, um sich zu bewegen, Sport zu treiben, zu wandern, biken, durch den Wald zu marschieren oder gemütlich über die Wiesen zu schlendern. Doch aufgepasst! Gleichzeitig mit dem Bewegungsdrang des «Homo Urbanicus» erwacht auch dessen selbsternannte Freundin, die Zecke, aus der Untätigkeit. Sie lauert mit Vorliebe im Unterholz und im hohen Gras auf ihre Opfer – Tier wie Mensch –, nach deren Blut es sie dürstet. Allein der Stich der Zecke (Zecken stechen, sie beissen nicht, wie oft angenommen) wäre kein Problem für einen ausgewachsenen Menschen, doch die fiesen Parasiten können über ihren Speichel und Mageninhalt verschiedene Krankheiten übertragen. Dazu gehört die Lyme-Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis, besser bekannt als Hirnhautentzündung.

«Zeckenalarm» ist denn eine äusserst beliebte Schlagzeile, mit der Boulevardmedien jedes Frühjahr Aufmerksamkeit zu erregen versuchen. Angst wird geschürt, die Verunsicherung bei Herrn und Frau Schweizer ist gross, denn zur Unwissenheit gesellen sich Desinformation und Ammenmärchen. Der Zürcher Arzt Norbert Satz gilt als der Zeckenspezialist in der Schweiz. Für ihn ist klar: Mit Zecken ist nicht zu spassen. Gleichzeitig sollte aber auch nicht in Panik ausgebrochen werden. «Wer ein Paar grundlegende Regeln befolgt, der kann sich sehr gut gegen Zeckenstiche schützen.» 

Die Tipps reichen von einer guten Vorbereitung bis hin zum effektiven Handeln, wenn ein Stich entdeckt wird. Wer sich ein paar grundlegende Tipps zu Herzen nimmt, läuft kaum Gefahr, von einer Zecke gestochen zu werden:

Zecken halten sich mit Vorliebe in Bodennähe auf, das heisst, nicht höher als 80 Zentimeter. Deshalb sollte in den Sommermonaten Unterholz und hohes Gras gemieden werden. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung lassen sich Zecken nicht vom Baum fallen.
Wer die vorgegebenen Wege trotzdem verlässt, sollte auf adäquate Kleidung achten. Dazu gehören festes Schuhwerk, langärmelige Hemden und lange Hosen. Socken über Hosenbeine ziehen!
Helle Kleidung ist besser als dunkle, da man die Zecken darauf besser entdeckt. Kleidung nach dem Waschen tumblern – das überleben Zecken nicht
Insektenschutzmittel oder zeckenabweisende Sprays verwenden. Sie wirken allerdings nur eine bestimmte Zeit lang und sollten daher regelmässig neu aufgetragen werden.
Nach einem Ausflug in den Wald den ganzen Körper nach Zecken absuchen. Diese stechen meist nicht sofort, sondern wandern den Körper entlang, bis sie eine geeignete Stelle gefunden haben. Hierzu gehören Kniekehlen und Armbeugen, Achselhöhlen, die Halsregion, der Kopf (vor allem bei Kindern!) und die Schamgegend.
Auch Haustiere wie Hunde und Katzen regelmässig auf Zecken untersuchen.
Gefundene Zecken möglichst rasch entfernen. Am besten geschieht dies mit einer feinen Pinzette oder einer speziellen Zeckenzange beziehungsweise einer Zeckenkarte. Diese werden direkt über der Haut angesetzt, um die Zecke sorgfältig «auszuhebeln» (Achtung: Da der Stechapparat viele Zacken, aber kein Gewinde besitzt, muss die Zecke beim Entfernen auch nicht nach links oder rechts gedreht werden). Stichstelle desinfizieren.

Ab in den Tumbler!

Zecken sind gleichermassen verhasst wie faszinierend. Denn, so Norbert Satz, ihr Dasein auf Erden ergibt eigentlich keinen Sinn. «Nicht einmal die Zoologen haben herausgefunden, wozu die Tierchen gut sein könnten.» Ein ausgewachsenes Weibchen legt bis zu 2000 Eier. Lediglich zwei davon schaffen es bis zur Geschlechtsreife und vermehren sich. Während eines Saugvorgangs kann sich das Körpervolumen einer Zecke verfünffachen, aus einem 2 bis 4 Millimeter grossen Pünktchen wird rasch ein über 1 Zentimeter grosses Spinnentier mit acht Beinen und gehörig Gruselpotenzial. Und Zecken sind wahre Überlebenskünstler: Tests haben gezeigt, dass sie eine 40-Grad-Wäsche in der Maschine inklusive Schleudergang überleben. Selbst ein ausgiebiger Tauchgang im Aquarium oder der 24-stündige Aufenthalt im Tiefkühlfach scheint ihnen kaum etwas auszumachen. «Was Zecken hingegen todsicher eliminiert, ist der Tumbler», sagt Norbert Satz.

Auf der Suche nach einer idealen Stichstelle sucht sich die Zecken bewusst feuchte Körperregionen aus: Achselhöhlen, Kniebeugen oder die Schamgegend beispielsweise. In der Schweiz werden jährlich 3000 bis 5000 von Zecken verursachte Borreliosefälle registriert. Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) oder Hirnhautentzündung kommt im Vergleich dazu 500-mal weniger häufig vor. Das gefürchtete Virus verursacht zu Beginn Fieber, Glieder- und Kopfschmerzen, in einem späteren Stadium kann das gesamte Nervensystem befallen werden. «Allerdings trägt nur jede tausendste Zecke das FSME-Virus in sich. Bei einem Stich beträgt die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung jedoch 100 Prozent», erklärt Norbert Satz. Als dritter Krankheitserreger, der von Zecken übertragen wird, ist seit zwei Jahren das Bakterium Candidatus Neoehrlichia mikurensis bekannt. Insbesonndere der Grossraum Zürich gilt nach neusten Forschungsergebnissen als Risikogebiet für diese Zeckenerkrankung. Die Neoehrlichiose führt bei Patienten zu hohem Fieber, Gewichtsverlust und Unwohlsein, kann indes mit einer Antibiotikatherapoe vollständig geheilt werden. 

Meistens folgenlos 

Besonders gefährdete Personen wie etwa Jäger, Förster und Landarbeiter sind inzwischen meist gegen FSME geimpft. Von Borreliose, einem Bakterium, das beim Menschen die Haut, das Nervensystem, den Bewegungsapparat oder das Herz in Mitleidenschaft ziehen kann, ist jede dritte Zecke befallen. «Von hundert Personen, die von solch einem Exemplar gestochen werden, erkranken vielleicht vier, die anderen merken überhaupt nichts davon und haben auch keine Spätfolgen zu befürchten.» Borreliose wird – rechtzeitig entdeckt – hauptsächlich mit Antibiotika behandelt. Klar ist für den Spezialisten: Auch wenn von den Zecken durchaus Gefahr ausgehen kann, sollte dieser Umstand nicht dazu führen, dass die Aktivitäten an der frischen Luft mit Beginn der warmen Jahreszeit eingeschränkt werden. 

Ab zum Arzt 

Bei Fieber oder anderen Symptomen nach einem Zeckenstich rasch einen Arzt aufsuchen.  Zecken halten sich am liebsten in Laubwäldern mit üppigem Unterholz auf. Ihr Lebensraum breitet sich in der Regel nicht über eine Höhe von 1500 m ü.M. aus. Die von den Zecken übertragenen Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis (im Volksmund Hirnhautentzündung) und der Borreliose kommen grundsätzlich in der ganzen Schweiz vor, hauptsächlich jedoch im nördlichen Mittelland. Entsprechend Aufschluss liefert das Kartenmaterial, welches u.a. auf der Homepage des Bundesamtes für Gesundheit www.bag.admin.ch abrufbar ist. 

Text: Flavian Cajacob, Bilder: Beat Brechbühl

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