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Aufgepasst Zucker lauert fast überall

Zucker macht die Zähne löchrig. Das wird einem schon als Kind beigebracht. Dennoch gehört das Süsse bei den meisten zum Essen dazu, ganz einfach, weil es so fein ist. Dieses Verhalten hat auch evolutionäre Gründe. Das bedeutet jedoch nicht, dass Zucker «unser Freund» ist – ganz im Gegenteil.

Während Jahrtausenden musste der Mensch – oft unter lebensgefährlichen Umständen – das Essen sammeln und erjagen. In der frühen Steinzeit und bis zu den ersten Bauern war das Angebot an Nahrungsmitteln sehr eingeschränkt. Selbst im 15. Jahrhundert noch kamen hauptsächlich Kohl, Milch, Getreide als Fladen oder Brei und wässrige Suppe mit etwas Schmalz oder Fleisch auf den Tisch. In der Steinzeit vor über zweieinhalb Millionen Jahren ernährten sich die Menschen lange Zeit hauptsächlich von rohen Pflanzen, Wildgemüse und Obst. Mit der Jagd bereicherten unsere Vorfahren das bislang karge Nahrungsangebot. Getreide- oder Milchprodukte waren zu dieser Zeit noch nicht bekannt. Diese kamen erst hinzu, als die Menschen sich zu sesshaften Bauern entwickelten.

Versteckter Zucker Brot

Geprägt von der Evolution

Die Evolution hat unsere Geschmackssinne nicht entwickelt, um ein Gourmet-Menü so richtig geniessen zu können. Die Geschmackswahrnehmungen auf unserer Zunge sollen in erster Linie unseren Verdauungstrakt vorbereiten auf das, was zu zerlegen ist. So assoziiert unser Körper (nicht aber unsere Ratio) bitteren Geschmack oft mit «Gift». Der Körper versucht mit allen Mitteln dieses suggerierte «Gift» noch in den Verdauungsorganen zu neutralisieren, indem er Verdauungssäfte (Magen, Gallensaft, Bauchspeicheldrüsensaft und Darmenzyme) ausschüttet. Deshalb sind Bitterstofftinkturen oder -tees wunderbare Verdauungshelfer.

Unser Körper hat im Laufe der menschlichen Evolution gelernt, mit Mangel umzugehen. Unser Stoffwechsel hat sich darauf eingestellt. Süsse Geschmäcker, etwa bei Gemüse, Früchten oder Honig, haben uns geprägt, denn «süss» deuten wir als ungiftig und energiereich. Gelangte einer unserer Vorfahren an einen Beerenstrauch mit süssen Früchten, wurde in seinem Hirn das Belohnungssystem aktiviert, damit er möglichst viel davon esse. 

Versteckter Zucker Chips

Zucker in Hülle und Fülle

Diese Zeiten sind nun endgültig vorbei, spätestens, seit der Mensch damit begann, im 19. Jahrhundert Zucker industriell herzustellen. Leider oft losgelöst von allen Faser-, Vitalstoffen und sonstigen sekundären Pflanzenwirkstoffen.Diesen raffinierten  Zucker gibt es in fast unbegrenzten Mengen und er wird fast überall beigemischt. Diese Dichte und Fülle an Energie überfordert unseren Stoffwechsel. Das zeigt sich vordergründig am Gewicht, denn was nicht gleich gebraucht wird, wandelt unser Körper als Reserve in Fett um. Wir sind nach wie vor auf Mangel eingestellt. Übergewicht stellt einen grossen Faktor für verschiedenste gesundheitliche Probleme wie Arthrose, Diabetes II oder das metabolische Syndrom dar. Aber damit nicht genug. Die dauernde Ausschüttung von Insulin wird auch in Zusammenhang mit Nervenkrankheiten wie Demenz gebracht. Dazu wurden auch Gedächtnistests bei älteren Menschen mit Bezug zum vorhandenen Zuckerspiegel durchgeführt, die ebenfalls zu diesem Schluss führen. Zucker stellt aber auch «Power» dar: Er kann von unserem Körper sehr schnell zu Energie verarbeitet werden, was in einer kurzfristigen Energielosigkeit durchaus helfen kann. Kurz darauf folgt dann aber der Insulinknick. Die Folge: Die Energielosigkeit kehrt zurück. Also wird noch ein Stück Schokolade eingeworfen und so weiter – ein Teufelskreis. Wer sich zum Beispiel vor dem Zubettgehen noch eine Zuckerbombe gönnt, läuft Gefahr, für einen geruhsamen Schlaf nicht mehr runterzukommen. Das gilt auch oder gerade für Kinder, insbesondere für Nimmermüde.

Wer den Versuch wagt, einen Monat lang weitgehend auf Zucker zu verzichten, wird nach dieser Zeit merken, wie der Kopf klarer wird. Auch die Geschmacksempfindung wird feiner justiert. Nach einem Monat ist auch das Verlangen nach Zucker weg oder zumindest stark reduziert. Wichtig ist dabei, auf die Zusammensetzung der gekauften Lebensmittel zu achten. Es ist verblüffend, wo es überall Zucker drin hat. Dass Schokolade, Kuchen, Kekse oder Glace einen hohen Zuckergehalt haben, weiss jedes Kind. Dass aber auch vermeintlich gesunde Nahrungsmittel grosse Mengen an Zucker enthalten können, ist den meisten Menschen nicht bewusst. Denn in vielen Lebensmitteln und Getränken, von denen man es nicht unbedingt erwartet, verstecken sich hohe Mengen an Kalorien allein aus Zucker. Weil Zucker gut schmeckt und das Belohnungssystem in unserem Hirn anregt, fühlen wir uns besser und kaufen dann wohl auch dieses Produkt wieder ein. 

Versteckter Zucker Orangensaft

Als Richtwert gilt seitens der Weltgesundheits-Organisation WHO, dass wir täglich maximal ca. 25 Gramm Zucker zu uns nehmen sollen – das entspricht etwa sechs Teelöffeln.

In den westlichen Industriegesellschaften ist es aber, gerade durch die Zuckerfalle mit verstecktem Zucker, inzwischen oft schon das Vierfache, was wir an Zucker täglich in uns reinschaufeln!

Übersteigt die zu sich genommene Zuckermenge regelmässig den Tagesbedarf, kann das sehr negative gesundheitliche Folgen haben. Zu viel Zucker macht dick, müde und schlapp und kann diverse Krankheiten wie auch Depressionen begünstigen.

Alternative Süssmittel

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Zuckerersatzstoffen. Zum Beispiel die rein synthetischen wie Saccharin und Aspartam oder die der Natur nachempfundenen Zuckeralkohole (Xylit, Erythrit, Sorbitol, Maltit, Isomalt). Weitverbreitet ist auch das natürliche Süsskraut Stevia mit all den daraus entstandenen Extrakten und Isolaten. Der Ruf dieser Süssmittel ist sehr unterschiedlich, insbesondere bei den synthetischen, wobei jeweils Studien mit Resultaten an beiden Enden der Skala auftraten. Heute sind vor allem Xylit und Erythrit eher positiv besetzt. Also ohne den Makel, gesundheitsgefährdend zu sein.

Xylit hat rund 60 % vom Energiewert des Zuckers und dabei praktisch die gleiche Süsskraft. Xylit lässt die Insulin-ausschüttung fast um die Hälfte weniger ansteigen als Zucker und soll sogar eine leicht karieshemmende Wirkung aufweisen. Erythrit hat einen Energiewert von Null bei einer 50- bis 70-prozentigen Süsskraft im Vergleich zum Zucker. Es beeinflusst den Insulinspiegel nicht und wird im Mund nicht abgebaut. Erythrit verursacht keine Karies. Zudem ist dieser Süssstoff auch im Verdauungstrakt meist sehr gut verträglich. Stevia bringt ebenfalls null Energie mit und lässt auch die Zähne in Ruhe, hat aber eine 70- bis über 400-fache Süsskraft im Vergleich zum Zucker (je nach Mischvorkommen in den Blättern und Qualität).

Bei der Wahl eines Zuckerersatzstoffes kommt es immer auch auf die Verwendung an. Wo ersetze ich den Zucker? Wo macht es Sinn? In einem Getränk, in einem Gebäck, in einer Creme? Konsistenz und Volumen sind massgebend. Je nachdem kommt mit dem Zucker auch Volumen hinzu, das zum Beispiel bei Stevia fehlt. Hier finden Sie sicher entsprechende Hinweise in den Rezepten. Beachten Sie aber: Ein Süssreiz auf der Zunge, auf den keine zu verwertenden Kalorien im Blut folgen, führt unseren Stoffwechsel an der Nase rum und kann ihn auf Dauer träge machen. Der Mensch benötigt im Grunde weder den reinen Zucker noch die verschiedenen Zuckeraustauschstoffe. Er benötigt viel eher Kohlenhydrate im Gemüse, im Obst oder im Vollkorngetreide. Traubenzucker oder Fruktose (Rüebli, Beeren, Äpfel usw.) sind hier auch zu erwähnen, aber nicht in reiner Form. Unsere Verdauung muss mehr oder weniger arbeiten, um an die Energielieferanten heranzukommen. Darauf ist unser Körper eingestellt. Versuchen wir also, das Süsse mit Mass und Bedacht zu geniessen (wir wollen ja nicht päpstlicher als der Papst sein), dann können wir auf dem Teller eher das essen, was uns bekommt, ohne dass uns etwas fehlen wird. En Guete!

Text: Patrick Seiz, Bilder: Beat Brechbühl

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