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Das grosse Werk der Bienen

Bienen faszinieren uns mit ihrer sozialen Organisation und ihrer verblüffenden Art, miteinander zu kommunizieren. Ihre Rolle in der Natur ist entscheidend: Etwa ein Drittel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion hängt direkt von der Bestäubung durch Bienen ab. Die Honigbiene ist die bekannteste Bienenart. Aber Achtung: Nicht minder wichtig sind die vielen Arten von Wildbienen, die einen entscheidenden Beitrag zur Bestäubung von Pflanzen und zur Biodiversität leisten.

Wenn wir von Bienen sprechen, meinen wir eine komplexe Gruppe von Insekten. Die sogenannten Anthophilen (vom griechischen anthophilos, sinngemäss «der Blumen liebt»), zu der mehr als 20 000 Arten gehören, bewohnen alle Kontinente der Erde mit Ausnahme der Antarktis. Davon ist nur eine Art, die Apis mellifera (Westliche Honigbiene auch als Hausbiene bekannt), diejenige, die wir züchten, um Honig zu produzieren. In Europa gibt es weitere 2000 Wildbienenarten, von denen etwa 400 in begrenzten Gebirgs­regionen wie den Alpen oder der Sierra Nevada, auf Inseln wie den Balearen oder Korsika und in trockenen Gebieten wie dem Südosten Spaniens heimisch sind. Aufgrund der privilegierten Lage der Iberischen Halbinsel zwischen Europa und Afrika und der grossen klimatischen Vielfalt gibt es in Spanien mehr als 1100 Wildbienenarten. Zum Vergleich: In der Schweiz leben über 600 Arten.

Unterschied Waldbiene und Honigbiene

Interessanterweise sind die meisten der Wildbienen das Gegenstück des stereotypen Bildes, das wir von einer hierarchischen Bienenwabe voller Arbeitsbienen mit ­einer Königin an der Spitze haben. Darüber hinaus produzieren sie nicht einmal Honig und einige von ihnen haben keine Stacheln. Schauen wir uns diese bunte Truppe also genauer an. Honigbienen leben in grossen, sozialen Kolonien, wogegen Wildbienen meist solitär leben oder in kleinen Gruppen. Honigbienen werden häufig für die Bestäubung von Nutzpflanzen eingesetzt, während Wildbienen oft effizientere Bestäuber sind, da sie meist ertragreichere Pflanzen bestäuben. Zudem sind Wildbienen weniger anfällig für Krankheiten und Parasiten als Honigbienen. Rund drei Viertel der Wildbienen sind «Einzelgängerinnen», d. h. sie bilden keine Kolonie, sondern arbeiten allein und bauen einzelne Nester, in denen sie ihre Eier ablegen. Etwa 15 Prozent sind Parasiten, die die Nester anderer Bienen nutzen, um ihre Eier für andere Bienen zu legen, die damit ihre Jungen füttern. Nur die verbleibenden 10 Prozent sind gesellige Bienen, die in Kolonien zusammenleben, und von diesen bildet nur ein kleiner Prozentsatz grosse, dauerhafte und fortgeschrittene Gesellschaften mit drei unterschiedlichen «Kasten»: Königin, Arbeiterinnen und Drohnen. Die Königin ist das einzige fortpflanzungsfähige Weibchen in der Kolonie und somit das Zentrum des sozialen Lebens im Bienenstock. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Eier zu legen. Sie wird von den Arbeiterinnen gefüttert und gepflegt. Die Arbeiterinnen sind weibliche Bienen, die den Grossteil der Arbeit in der Kolonie erledigen. Sie sammeln Nektar und Pollen, bauen Waben, pflegen die Brut, verteidigen den Stock und kümmern sich um die Königin. Arbeiterinnen entwickeln sich aus befruchteten Eiern und sind nicht in der Lage, sich zu paaren. Die Drohnen sind die männlichen Bienen in der Kolonie. Ihre einzige Aufgabe besteht darin, die Königin zu begatten. Sie haben keinen Stachel und sind nicht in der Lage, Nahrung zu sammeln oder den Stock zu vertei­digen. Drohnen entwickeln sich aus unbefruchteten ­Eiern. Die soziale Organisation der Bienen ermöglicht es ihnen, effizient zu arbeiten und sich erfolgreich zu vermehren. Dank der Arbeitsteilung und Koopera­tion innerhalb der Kolonie ­können Bienen komplexe Aufgaben bewältigen und erfolgreich als «Superorganismus» agieren. Ihre Kommunikationsfähigkeit ist verblüffend genial. Lesen Sie mehr dazu im Beitrag «Warum tanzen Bienen?» auf der linken Seite.

Biene

Bedeutungsvoll für die Natur

Bienen können dank ihres ­behaarten Körpers die Pollen leicht von den männlichen Teilen einer Blüte zu den weiblichen Teilen transportieren. Auf diese Weise erfolgt die Fortpflanzung bei vielen Pflanzenarten, wie zum Beispiel bei der Erdbeere, deren Früchte nach Schätzungen mindestens 21 Bienenbesuche benötigen, um gross und schmackhaft zu werden. Bienen sind nicht die einzigen bestäubenden Insekten, aber sie sind für zahlreiche Kulturen wie Alfalfa (Saat-Luzerne), Mandeln, Gurken und Erdbeeren unerlässlich. Etwa ein Drittel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion hängt direkt von der Bestäubung durch Bienen ab. Ohne Bienen würden viele Pflanzen nicht fruchten, was zu einem dramatischen Rückgang der Nahrungsmittelversorgung führen würde.

Der sprichwörtliche Fleiss der Bienen erfolgt aus evolutionärer Notwendigkeit und dient primär dazu, ihre Kolonien zu erhalten und zu sichern. Bienen sammeln Nektar und Pollen als Hauptnahrungsquelle für ihre Kolonie. Sie fliegen grosse Entfernungen, um Blumen zu bestäuben und Nahrung für die Brut und die ­erwachsenen Bienen zu sammeln. Darüber hinaus sind sie für die Aufzucht ihrer Brut verantwortlich: Sie bauen Waben, füttern die Larven und halten die Temperatur im Bienenstock aufrecht, um ein gesundes Wachstum der jungen Bienen zu gewährleisten. Bienen bauen komplexe Wabenstrukturen aus Bienenwachs, um ihre Nahrung zu lagern, ihre Brut zu schützen und den Bienenstock zu organisieren. Und vor allem, ihr enormer Fleiss bei der Nahrungssuche trägt zur Bestäubung und zur Erhaltung der Pflanzenvielfalt bei.

Bienensterben: Realität oder Mythos?

Der Artenschwund und das Bienensterben sind in den letzten Jahren verstärkt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Dazu hat auch der Film «More than ­Honey» des Schweizer Regisseurs Markus Imhoof aus dem Jahr 2012 beigetragen. In den letzten Jahren haben wissenschaftliche Studien auf den Rückgang der Bienen hingewiesen, die einer Vielzahl von Bedrohungen ausgesetzt sind: Zerstörung ihres natürlichen Lebensraums, missbräuchlicher Einsatz bestimmter Pestizide, invasive asiatische Wespen, die Varroa-Milbe, der Parasit Nosema apis oder allgemein der Klimawandel. Dass heute immer mehr Menschen in der Schweiz der Hobby-Imkerei frönen, ist wohl auch dem weitverbreiteten Glauben zuzuschreiben, dass die Honigbiene gefährdet sei – das ist ein Mythos. Denn im Gegensatz zu vielen Wildbienenarten ist die Honigbiene derzeit nicht vom Aussterben bedroht. Allerdings leiden auch die Honig­bienen an der abnehmenden Biodiversität und unter dem Einsatz von Pestiziden. Glücklicherweise sind in den letzten Jahren weltweit vermehrt Massnahmen ergriffen worden, um das Bienensterben einzudämmen, darunter die Förderung von bienenfreundlichen Anbaumethoden und der Schutz von Biotopen.

Warum tanzen Bienen?

Die Honigproduktion der Honigbienen stellt die Fliessbänder in der Automobilindustrie in den Schatten. Alle Arbeiterinnen sind «Angestellte des Monats», und Teamarbeit ist der Schlüssel zum ­Erfolg. Ihre aussergewöhnliche Koordination und Zusammenarbeit sind zweifellos das Ergebnis einer guten Kommunikation. Wie könnte man dies besser er­­reichen als mit einem Tanz? Es war der griechische Philosoph Aristoteles, der den «Tanz der Bienen» bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. erwähnte. Der Philosoph glaubte, dass der Honig einen himmlischen Ursprung hat, dass er von jenseits der Atmosphäre auf Blätter und Blüten fällt und dort von den Bienen gesammelt wird. In Wirklichkeit sammeln die Arbeiterinnen Nektar von den Blüten, der ­später im Bienenstock in Honig umgewandelt wird. Er ­vermutete aber richtigerweise, dass die Bienen auf ­irgendeine Weise miteinander kommunizieren müssen. Aufgrund seiner Beobachtungen stiess er vermutlich auf folgende Regelmässigkeit: Wenn die Kundschafterinnen eine Nahrungsquelle entdecken, kehren sie zum Bienenstock zurück, und kurz darauf fliegt eine Gruppe von Sammlerinnen ohne Führung direkt zu den Blüten. Bevor sie jedoch aufbrechen, haben sie die Kundschafterinnen tanzen sehen und dabei die Information erhalten. Wie bei einem Stammestanz ist die Choreografie voller Bedeutung.

Bienen

Es war der österreichisch-deutsche ­Zoologe und Verhaltensforscher Karl von Frisch, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts diesen kuriosen Tanz wissenschaftlich entschlüsselte. Er entdeckte, dass eine Arbeitsbiene, wenn sie Blüten mit Pollen fand, ihre Position dem Rest des Schwarms mittels einer Choreo­grafie mitteilte. Der Winkel der Tanzrichtung zur Sonne gibt die Richtung an, in der die Blumen zu finden sind, und die ­Bewegung des Hinterleibs deutet auf die Entfernung hin. Je schneller die Bewegung, desto weiter ist die Nahrungsquelle entfernt. Im Inneren eines Bienenstocks gibt es kein Licht, sodass die Arbeiterbienen diesen Tanz durch Berührung wahrnehmen und beginnen ihn zu kopieren, um die Informationen an die übrigen Bienen weiterzugeben.

Den Tanz der Bienen zu entschlüsseln, war für den Zoologen ein lebenslanger Antrieb. Dank dieser Entdeckung entkam er den Nazis. Diese wussten, dass von Frisch jüdischer Abstammung war und wollten ihn von der Universität werfen. Da Bienen jedoch wertvolle Pflanzen ­bestäuben, erachteten die Nazis seine Arbeit als wichtig für die Lebensmittelversorgung. Schliesslich durfte er seine Forschungsarbeit fortsetzen und erhielt sogar eine staatliche Förderung. Karl von Frisch brauchte keine grossartigen Werkzeuge oder ausgeklügelten Geräte, nur die Gabe eines guten Beobachters. Der 1973 mit dem Nobelpreis geehrte Forscher stellte fest, dass die Kundschafterinnen, wenn die Blüten mehr als 150 Meter vom Bienenstock entfernt sind, in einer Acht tanzen: Zuerst gehen sie geradeaus, dann in einem Halbkreis, dann wieder geradeaus und enden mit ­einem weiteren Halbkreis. 
In der geraden Phase bewegt die Biene ihren Hinterleib energisch von einer ­Seite zur anderen. Je weiter das Futter entfernt ist, desto länger dauert das ­Wackeln. Es reicht jedoch nicht aus, nur die Entfernung zu kennen, die Richtung ist auch von Belang. Eine Arbeitsbiene tanzt senkrecht zur Wabendecke, wenn das Futter in der gleichen Richtung wie die Sonne liegt. Stehen die Blüten zum Beispiel 40 Grad links von der Sonne, wird der Tanz 40 Grad links von der Senkrechten der Wabe ausgeführt. Die Tänzerinnen setzen den Sonnenwinkel in einen Gravitationswinkel um. Der Winkel, den die Biene in Bezug auf die Senkrechte der Wabe einnimmt, entspricht also dem Winkel zwischen der Nahrungs­quelle und dem Sonnenstand, wobei der Bienenstock der Scheitelpunkt ist. Die Richtung des Tanzes ändert sich mit der Bewegung der Sonne im Laufe des Tages und der Jahreszeiten. Einfach genial!

Etwa ein Drittel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion hängt direkt von der Bestäubung durch Bienen ab.Durch die Arbeitsteilung und Kooperation innerhalb der Kolonie können Bienen komplexe Aufgaben bewältigen und erfolgreich als «Superorganismus» agieren.

 

Tipp

Wollen Sie mehr über Bienen erfahren? 
Hier zwei Ausflugstipps.

Bienen sind wichtige Bestäuber und faszinierende Insekten. Von den über 600 Wildbienenarten in der Schweiz sind rund 45 % gefährdet. Es fehlt ihnen an Nahrung und Nistgelegenheiten. Die gute Nachricht: Sie können aktiv werden und den Bienen helfen. Wie das genau geht, zeigen wir in unseren Kursen Bienenschutz. Kursziele: Sie lernen, wie Sie Bienen in Ihrem Umfeld sinnvoll helfen können und erhalten praxisrelevantes Wissen, um die Zusammenhänge zu verstehen.

Mehr unter: bienen.ch

Ein beeindruckendes Erlebnis für Jung und Alt ist der Bienenlehrpfad in Pfäffikon (SZ). Hier können Sie das faszinierende Leben der Bienen hautnah erleben, mehr über ihre Bedeutung für die Natur erfahren und lernen, wie Sie aktiv zum Schutz der Bienen beitragen können. Der Lehrpfad bietet eine einzigartige Möglichkeit, die Welt der Bienen zu erkunden und zu schätzen. Der Bienenlehrpfad Pfäffikon ist von circa Mitte April bis Ende Oktober offen und jederzeit frei zugänglich. Auf Voranmeldung können für den Lehrbienenstand Führungen gebucht werden. Hierbei besteht die Möglichkeit, im geräumigen Bienenhaus direkt dem Imker zuzuschauen. Hinweis: Allergiker/innen können gefahrlos vom bienendichten Anbau aus durch ein Fenster zusehen.

Tarif: Schulklassen und Vereine bis max. 20 Personen CHF 100.– (Barzahlung) Familien nach Absprache

 

Mehr unter: bienenlehrpfad-pfaeffikon.ch

Text: Angel Gonzalo, Bilder: Beat Brechbühl

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