Heftige Reaktionen
Der 1. Fall, den Wood behandelte, verlief dramatisch. Eine Frau, mittleren Alters, die 5 Jahre nach ihrer Ansteckung arbeitsunfähig und invalid war, reagierte nach 2-wöchiger Einnahme der Tinktur zuerst mit einem genitalen Ausschlag. Nach 3,5 Wochen fühlte sie sich bedeutend wohler. Alle 4 darauf folgenden Blutuntersuchungen erwiesen sich als negativ; mit anderen Worten: es waren keine Spirochäten mehr nachweisbar. Beim 2. Fall behandelte er eine Frau, die seit 6 Jahren infiziert war und die typischenSymptome aufzeigte: Muskel- und Gliederschmerzen, chronische Müdigkeit, Verlust geistiger Klarheit. Das Einnehmen der Tinktur führte zuerst zu einer Verschlechterung der Symptome, gefolgt von einem Hautausschlag und anschliessend zu einer Besserung. Die weiteren Fälle, die Matthew Wood erwähnt, verliefen ähnlich.
Selbstversuch mit der Kardentinktur
Der Bericht Woods faszinierte mich. Im Spätsommer 2001 leitete ich einen Phytotherapiekurs im ländlichen Ungarn. Da dort viele kräftige Karden wuchsen, liess ich die Studenten die Wurzeln graben und die Tinktur herstellen. Dabei liessen wir auch nicht ausser Acht, wie in der Ayurveda und anderen Heilertraditionen üblich, das Heilmittel in einer guten geistigen Gesinnung herzustellen. Zu Hause gab ich die so gewonnene Tinktur einigen Borreliose-Patienten, die mir bestätigten, dass es ihnen daraufhin viel besser gegangen sei. Vor allem aber probierte ich die Tinktur im Selbstversuch aus. Ein anderer Patient, der ebenfalls mit Borreliose infiziert war und an Gelenkschmerzen litt, schloss sich dem Selbstversuch an. Über eine Woche hinweg assen wir wenig und nahmen jeden Tag einen Teelöffel der äusserst bitteren Wurzeltinktur ein. Unser Bewusstsein richteten wir ganz auf den Körper und auf die psychosomatischen sowie energetischen Reaktionen. Zuerst merkte ich, wie die bitteren Tropfen reflexartig die Verdauungsdrüsen anregten; dann – auf einer eher energetischen Ebene – kam es einem vor, als strahle eine Energie zentrifugal, von innen her, bis über die Hautoberfläche. Es war, als schössen spitze Energiepfeile in allen Richtungen aus dem Körper heraus. Auch mein Begleiter machte ähnliche Erfahrungen. Wahrscheinlich ist es diese von innen wegstrebende Energie, die für den von Wood erwähnten Ausschlag – als Vorbote der Besserung – verantwortlich ist. Wir hatten beide den Eindruck, als würden die schädlichen Keime herausgedrängt. Plötzlich kam mir auch die Physiognomie der Kardenpflanze in den Sinn: Die Stängel sowie die Unterseite der Blattadern, ja selbst die Blüten, sind mit spitzen Stacheln übersät. Nach Rudolf Steiner und den anthroposophischen Botanikern sind Stacheln und Dornen sichtbare Äusserungen zurückgestauter, nach aussen strahlender ätherischer Kräfte. Und genau so schien es auch: In der Selbstbeobachtung erlebten wir, wie diese ätherischen Energien im Mikrokosmos des Leibes befreit wurden und, indem sie nach aussen strahlten, die pathogenen Organismen energetisch «hinausdrückten».
Die Wurzelkur der Kräuterfrau
Bei einem Heilpflanzenkurs in Bayern erzählte ich von der viel versprechenden Kardenwurzeltinktur zur Behandlung der Borreliose. Da meldete sich eine stämmige, ältere Kräuterfrau und Heilpraktikerin zu Wort. Sie sagte, das wisse sie schon lange. Sie benutze die Wurzel auch als Tee, um Arthrosen und rheumatische Gelenke zu behandeln. Sogar bei Spondylarthritis (Entzündung der Wirbelgelenke) hätte sie damit Erfolg. Die 3 wöchige Rosskur besteht aus einer Woche Fasten, eventuell mit Rohkost, wobei der äusserst bittere, reinigende Tee (1 TL/Tasse, überbrühen, ziehen lassen, nicht süssen) während der Zeit schluckweise, bis zu 3 Tassen am Tag, getrunken wird. Nach einer Woche fängt der Patient wieder an Mahlzeiten zu sich zu nehmen, aber trinkt den Tee noch für 2 weitere Wochen. Bei Borreliose, meinte sie, sei es angebracht, vorsichtshalber jeden Monat mit einer 1- bis 3-tägigen Wurzeltee- Kur nachzubehandeln (ohne dabei unbedingt zu fasten). Die Spirochäten seien auf die Mondrhythmen eingestimmt und hätten alle 28 Tage Vermehrungsschübe. Angeregt durch den Bericht der Kräuterfrau forschte ich nun in der überlieferten europäischen Heilkunde. Dabei fand ich heraus, dass die Kardenwurzel schon seit langem als reinigend und entgiftend bei Gicht, Arthritis, Rheuma, Wassersucht, Dermatose, Furunkeln, Lebersucht und Akne gilt. Innerlich wirkt die Kardenwurzel stark harn-, galle- und schweisstreibend sowie Leberstoffwechsel anregend. Die italienische Volksmedizin kennt zu diesem Zweck ein Dekokt (Abkochung), wobei die zerkleinerte Wurzel kurz aufgekocht (2 g auf 100 ml Wasser) und am Morgen auf nüchternen Magen getrunken wird. In der Renaissance wurde die Wurzel in Wein gekocht, zu Brei zerstampft und «in den Spalten des Unterkörpers gegen Warzen und Fisteln» äusserlich appliziert. Weitere Forschung und klinische Untersuchungen sind vonnöten. Dieser Beitrag soll lediglich einen möglichen Weg zur phytotherapeutischen Behandlung der Lyme-Borreliose aufzeigen. Ich für meinen Teil bin der Karde sehr dankbar.